Frisch vom Land – aus einer Hand
Als „der Landmetzger“ gehört Peter Radizi über 30 Jahre schon zu den Beschickern des Aschaffenburger Wochenmarktes. Kunden schätzen die ehrliche, und überaus wohlschmeckende Wurst, die Vielfalt der Fleischwaren – alles in absoluter Frische und Qualität. Seit Mai gehen zweimal wöchentlich Würste aller Art, hausgemachter Leberkäse und Fleischspezialitäten bis hin zu vorgewürztem Grillgut, über den Tresen des Verkaufswagens.
Das Besondere: Alles liegt in Familienhand – von Haltung und Aufzucht der Rinder, über Schlachtung in der hofeigenen Schlachterei bis zum Verkauf der fertigen Fleisch- und Wurstwaren. Doch bis es dazu kommt, ist reichlich Arbeit zu bewältigen.
Die Macher
Das sind Peter Radizi, 63 Jahre, Landwirt und Metzger, und Sohn Alex Radizi, 27 Jahre, gelernter Metzger und Bauer aus Neigung. Sie stemmen die Hauptarbeit.
Unterstützung kommt bei Bedarf von Familienmitgliedern und Hilfskräften, ob sie in der Wurstküche zugreifen, im Marktwagen verkaufen oder die Buchhaltung erledigen.
Besuch vor Ort
An einem Hügel mit freiem Blick auf die Marktgemeinde Schöllkrippen liegt der Josefshof. Die Anfahrt führt vorbei an Feldern, an silbrig betauten Wiesen und Obstbäumen. In den Kahlauen grasen bis weit in den Herbst Schafe. Nach einer Biegung in Richtung Vormwald taucht unvermittelt der Josefshof auf.
Benannt wurde er nach Großvater Josef Radizi, dessen Frau Franziska aus dem benachbarten Hof Schabernack stammte. Häuser, Wirtschaftsgebäude und Stallungen für die Tiere des Hofes wurden um die Jahre 1960 und 1980 errichtet und mehrfach umgebaut.
Heute betreiben die Radizis reine Rinderhaltung. Eine Herde Mutterkühe mit Kälbern grast auf den Hängen hinter dem Haus. Mit dabei ist Bulle Fritz, der auf natürliche Weise für Trächtigkeit sorgt. Die Rinder sind ganzjährig auf der Weide und können sich dort frei bewegen. Der ehemalige Schweinestall wurde zum ganzjährig zugänglichen Unterstand und Wetterschutz mit Strohbett, Futterraufen und Wassertränkern; die sind im Winter gegen Frost beheizt.
“Die Haltung draußen ist ideal. Besseres zu finden, wird schwierig.“
Alex Radizi
Zwei Weiden mit je rund fünf Hektar Grundfläche stehen den Tieren imWechsel zur Verfügung. Zugefüttert als Sattmacher werden Grassilage und Heu von eigenen Wiesen, dazu etwas Schrot. Anfangs sorgte diese Haltungsform für Irritation bei wohlmeinenden Bürgern. Das hat sich gelegt. „Kühe mögen auch kühleres Wetter. Sie legen sich im Winter auf der Südweide in den Schnee und sonnen sich“, erzählt Alex Radizi.
Die meisten der rund 30 Tiere sind Mutterkühe der Sorte Limousin. „Nicht zu groß, umgänglicher Charakter, gute Fleischausbeute“, charakterisiert Alex Radizi seine Tiere. Sie führten ein gutes Leben, bis zu 18 Jahre lang. Das Gros der Kühe ist fünf bis sechs Jahre alt. Seniorin Libby, die noch ein paar Jahre trächtig werden kann, wurde 2010 geboren. Sie ist Teil der Herde wie Tochter Lisa und ihr namenloses Kalb – eines von einem halben Dutzend, die bis September auf die Welt kamen. Weitere folgten im Oktober.
Doch es sind Nutztiere. Das heißt, irgendwann führt der Weg in das Schlachthaus.
Rund um das Tiereschlachten
Die Schlachterei im Anwesen liegt rund 200 Meter von der Weide entfernt. Die Arbeitswoche auf dem Josefshof ist aufgeteilt in Schlacht- und in Verarbeitungstage.
An Schlachttagen bringen Hänger die Tiere in den Hof, ob Rinder von der nahen Weide oder Schweine aus einem rund 50 Kilometer entfernten Mastbetrieb. Sie werden abgeladen und betreten direkt den Schlachtraum, wo sie fixiert und betäubt werden. Bei Rindern geschieht das über einen Bolzenschuss, bei Schweinen mittels der Elektrozange. Der Tod tritt durch Ausbluten ein. Über eine Transportschiene gelangen die Tierkörper in den angrenzenden Raum zur Weiterverarbeitung. Schweine etwa werden dort gebrüht, geputzt und ausgenommen.
Je nach Nachfrage lassen hier ein Rind jede zweite Woche, dazu wöchentlich sechs Schweine ihr Leben. Gelegentlich werden Lämmer geschlachtet, auch für andere Metzgereien. In der Jagdsaison wird zusätzlich Wild weiterverarbeitet, genauer Reh, Wildschwein, Hirsch, vorwiegend aus dem Jossgrund.
Genaue Vorgaben
Der handwerkliche Schlachtbetrieb auf dem Hof arbeitet nach den Kriterien der EU-Zertifizierung. Genaue Regelungen schreiben die Einrichtung der Schlachterei fest, genau wie das schrittweise Vorgehen und die Hygienevorgaben. Unrein- und Reinbereiche etwa sind räumlich zu trennen. Größe und Ausgestaltung der Tötungsbox müssen den Vorschriften entsprechen.
Bei der Schlachtung ist eine Tierärztin anwesend, tätig im Auftrag des Veterinärsamtes. Sie überzeugt sich von der Gesundheit der lebenden Tiere, begutachtet das Fleisch nach der Schlachtung und entnimmt Proben. Nicht nur das Schlachten, auch das Ausnehmen und Zerlegen, die Weiterverarbeitung, Lagerung und selbstverständlich die akkurate Reinigung von Schlachthaus und Wurstküche nach jedem Betriebstag sind vorschriftsmäßig zu erfüllen. So verlangt beispielsweise die getrennte Aufbewahrung von rohem Fleisch und fertigen Wurstwaren nach zwei getrennten Kühlkammern.
Wesentlich neben der Erfüllung aller Vorschriften ist die Verantwortung der Schlachter selbst. Sie garantiert, dass Kunden auf dem Wochenmarkt zweimal wöchentlich beste Fleisch- und Wurstwaren aus erster Hand erstehen können.
Würste für alle Ansprüche
Das Verkaufssortiment wechselt mit der Jahreszeit. Grill-Steaks, Spieße und Bratwürstchen im Sommer werden in der kalten Jahreszeit von kräftigen Braten, Gulasch, Gepökeltem und einer breiten Auswahl an Wild abgelöst. Ständiges Geschäft bleibt die Herstellung frischer, hausgemachter Würste. Rund 40 bis 50 Sorten verlassen die Wurstküche des Josefshofs, hergestellt an drei Tagen die Woche.
„Weißwürste, Bratwurst, Landjäger, Leberkäse“, zählt Alex Radizi das Dienstagspensum auf, “Renner ist der Leberkäse”.
Das zu verarbeitende Fleisch von Schwein und Rind wird dafür grob gemahlen, im Kutter zerkleinert und mit Salz und Eis zu einem homogenen Teig, dem Wurstbrät, gemixt. Aus einer Grundmasse werden dabei über unterschiedliche Zugaben verschiedene Aufschnittsorten. Die Mischung wird in Natur- oder Kunstdärme gedrückt und darf anschließend im 400-Liter Wurstkessel garen.
Aus Leberkäsbrät wird durch Beigabe von Paprika, Salami, Käse und Pilzen der Pizzaleberkäse. All diese, selbstverständllich frischen, Zutaten müssen vorbereitet und geschnippelt werden. Und natürlich sind die Rezepte und Gewürze ein Geheimnis. Hier sieht Alex Radizi durchaus kreatives Potenzial. Neben Erlerntem probiert er immer wieder neue Geschmacksrichtungen aus und beobachtet, was gut ankommt, und justiert nach.
Zu dem bewährten Haussortiment werden Spezialsorten wie Mailänder oder Geflügelsalami zugekauft.
Schweinebauch, gefüllt mit gewürztem Fleischbrät, wird gerollt, in ein Netz gefüllt und gebrüht. So entsteht die Spezialität Pustabraten.
Basis für die Wurstmasse ist vielfach Schweinefleisch. Bis ins Jahr 2005 wurden auch Schweine auf dem Josefshof gehalten, zu besten Zeiten bis zu 400 Stück. Dann haben die Radizis umgestellt auf Rinderhaltung. Schweine bezogen sie von benachbarten Bauernhöfen. Doch die Tierhaltung hat sich massiv verändert.
“Schweinehalter im Kahlgrund, die ständig und verlässlich liefern, haben alle aufgegeben.“
Peter Radizi
Heute kommen die Tiere aus dem 50 Kilometer entfernten Elsenfeld im Hänger nach Schöllkrippen. 250 Muttersauen mit Nachzucht hält Norbert Ballmann in klimatisierten Ställen am Rand des Marktes Elsenfeld. Bei der Schlachtung sind die Schweine sieben Monate alt. Ihr Futter: Getreideschrot und Erbsen, zum größten Teil von eigenen Feldern. “Die Sorte fränkisches Landschwein, gekreuzt mit Pietrain, wächst eher langsam, sie weist feines, marmoriertes Fleisch auf”, sagt Ballmann. Er ist einer von noch fünf Schweinehaltern am bayerischen Untermain und versorgt neben Radizi auch weitere Metzgereien mit eigener Schlachtung rund um seinen Betrieb.
Wirtschaft und Umfeld
Die Ansprüche an Tierzüchter wie an handwerkliche Schlachter sind hoch: Arbeit als Dauerzustand, hohe Investitionen, bürokratische Auflagen. In beiden – durchaus unterschiedlich aufgestellten – Betrieben möchten zwei Generationen von der Landwirtschaft leben. „Im Kleinbetrieb wie bei uns rechnet sich das nur, weil wir von der Rinderaufzucht über Schlachtung bis zur Vermarktung alles in einer Hand halten“, sagt Peter Radizi.
Beide Betriebe spüren politischen wie gesellschaftlichen Druck. Verbrauchern fehlt das Wissen um Viehhaltung und bäuerliche Abläufe. Der Fleischkonsum sinkt. „Viele Schweinemastbetriebe gibt es nicht mehr, weitere werden aufhören“, so Ballmann. Auch Alex Radizi sorgt sich um den Stellenwert der regionalen Landwirtschaft und fragt, ob es vielleicht besser sei, auf Fleischimporte aus intensivierter Tierhaltung in Dänemark, Tschechien oder Spanien zurückzugreifen.
Der junge Metzger liebt seine Tiere. Dennoch ist es für ihn kein Widerspruch, sie zur Verwertung zu töten: „Solange Menschen Fleisch essen wollen, werden Tiere geschlachtet.“ Alex Radizi tut es bestmöglich.
Doch sich an das Schlachten gewöhnen, das werde er nie.