Der Markt erwacht
Die malerische Seite des Aschaffenburger Wochenmarktes wird gerne gerühmt: Riesig die Auswahl an Lebensmitteln jeglicher Art, an Leckereien und Spezialitäten, dazu Blumen und Setzlinge… Das alles präsentiert vor beeindruckender Kulisse. Voraussetzung für diesen Anblick, zweimal pro Woche: Planung, Logistik und jede Menge Arbeit. Ein Marktbummel zur frühen Stunde.
Noch herrscht Dämmerung, als die ersten Lastwagen rollen. Straßenlampen leuchten gegen den graublauen Himmel an. Deutlich vor fünf Uhr morgens, während „ganz Aschaffenburg“ noch schläft, wird auf dem Schlossplatz schon rangiert und geräumt, geschoben und geschleppt. Der „Zauber des Marktes“ versteckt sich hinter nüchterner Arbeitsatmosphäre – vorerst.
Erste Händler haben die langen Thekenfronten bereits aufgestellt und mit der Bestückung begonnen. Geschäftig geht es zu, dabei ruhig. Jeder weiß, was zu tun ist, Hilfskräfte eingeschlossen.
Aufbau der Stände
Seit 4.30 Uhr baut der erste der Gärtner auf. Vorerst schafft er allein, Verstärkung wird für später erwartet. „Wir haben nicht ganz so viele Pflanzen dabei“, sagt er. Mit Hilfe geht’s dann zügiger.
Neben dem Aufbau der Präsentionstheken müssen Leitungen verlegt und Kassen installiert werden. Sorgsam wechseln Äpfel, Spargel, Paprika und Salatköpfe aus den Transportkisten in die Auslagen. Verkäuferinnen arrangieren sie gefällig, memorieren Verkaufshinweise, stecken Preisschilder.
In der Regel am Vorabend wurden die Lastwagen beladen. Paletten mit Obst- und Gemüsesteigen, fahrbare Stellagen mit Blumen und Pflanzen wurden nach System auf den Ladeflächen verstaut. Last in, first out. Nicht zu vergessen das Aufbaumaterial und, ganzjährig wichtig, ob gegen Sonne oder Regen, die Marktschirme. Mit all dieser Ausstattung geht’s ab auf den Markt. Es sei denn, ein Besuch auf dem Frankfurter Großmark ist fällig. Dann beginnt der Marktalltag für Händler viel früher, oft schon um 1 Uhr in der Nacht.
Verkaufswägen
Mehr Zeit hat, wer einen Verkaufswagen nutzt, und das ist eine ganze Anzahl der Händler. Verkaufswägen machen das Marktleben komfortabel. Nudeln, Käse, Fleisch, Feinkost und mehr wird hier in fertigen Theken hinter Schutzwänden präsentiert. Wurden die Wägen am Abend zuvor abgestellt, schiebt das die Aufstehzeit um wertvolle Minuten nach hinten. Doch bevor die Verkaufsklappen öffnen, bleibt auch hier zu tun. Zwei Beispiele: Ein Transporter lädt Steigen von Samstagsbrötchen aus, frisch aus dem Ofen und duftend, dazu Brot und Gebäck. Verkäuferinnen räumen alles in die Auslagen des Bäckerwagens. Nebenan drapiert der Fischhändler fast meditativ Fische, Austern und anderes Meeresgetier auf dem Eis. „In einer halben Stunde kommen die Verkäuferinnen, dann belegen wir Fischbrötchen”, sagt er. Punkt sieben Uhr wird er öffnen.
… und Hänger
Immer wieder rücken neue Transporter an. Sie ziehen meterlange Hänger, die sich zu Verkaufsständen ausklappen lassen. Auch hier erfolgt die Zufahrt nach ausgeklügeltem und mit den Standnachbarn abgesprochenem Plan. Wenn Rangierfläche fehlt, wird abgekoppelt und der Hänger mit Hilfe der Kollegen an den richtigen Platz geschoben.
Beobachtung am Rand:
Manchmal findet ein Fahrrad Platz im Laster. Warum?
Sind die Transportfahrzeuge entladen, müssen sie den Platz räumen. Der Volksfestplatz ist Standort. Das Fahrrad erleichtert den Rückweg zum Markt und wird auch an Kollegen verliehen. Oder mehrere Händler teilen sich eine Sammelkarte für den Bus und fahren gemeinsam zurück.
Lange Verbundenheit
Man kennt sich, oft schon jahrelang. Verpflegung vom Lieblingsstand wird geholt, oder man hilft sich mit Ware aus. Es gibt wahre “Marktfamilien”, die seit Generationen hier Waren verkaufen. Auch „Ehemalige“ lassen sich blicken, ob als Besucher oder als Helfer. „Seit 60 Jahren bin ich auf dem Markt“, sagt Christa Kullmann, die den Gemüse-Stand 2018 an den Nachfolger übergeben hat, aber immer noch gerne aushilft.
Der Zauber des Marktes
Die Vorbereitungen sind weit gediehen. Immer mehr Leben kommt auf. Gelächter, Scherzworte fliegen, ein Schwätzchen hier und da. Die Tasse Kaffee, mitgebracht oder aus dem nahen Café, trägt dazu bei.
Unmerklich ist es hell geworden. Die Farbe der Schlosstürme wechselte von Tiefrot zu Goldocker, während die Tourist-Information noch in tiefem Schatten liegt. Irgendwann flutet die Sonne aus Richtung Luitpoldstraße über den Platz. Sie lässt Fensterscheiben gleißen und Blumen im Gegenlicht ätherisch strahlen. Das Schloss trägt jetzt Zartrosa. Lange Schatten, warmes Licht, strahlende Morgenfarben.
Längst wurden erste Kunden bedient, darunter auffällig viele Männer. „Ich bin gerne früh dran“, sagt der Leiderer und eilt mit Taschen und gefülltem Trolley heimwärts. Ein älterer Herr ist Stammkunde beim Früheinkauf. Er erkennt sogleich eine Handvoll Vorteile: „Man wird schnell und bestens bedient, alle sind gut gelaunt, es gibt Parkplätze und man trifft immer die gleichen Leute.“
Könnte sein, dass es noch ein paar mehr werden – in diesen herrlichen Marktzeiten am frühen Morgen.