Auf dem Main: So kommt der Zander in den Fluss
Festes wohlschmeckendes Fleisch mit wenig Gräten: Das schätzen Feinschmecker am Zander. Ab Ende Mai, wenn die Schonzeit endet, wird der edle Speisefisch frisch aus dem Main wieder auf dem Wochenmarkt verkauft. Bis es soweit ist, muss alljährlich aufwändige Vorarbeit erbracht werden.
„Lebende Fische“, versprechen die Container, die am Mainufer unterhalb der Willigisbrücke auf einem Hänger parken. Direkt neben schaukeln flache Fischernachen auf dem Wasser. Dieser Termin an einem kühlen, trüben April-Nachmittag sichert den Zander-Nachschub für Gastronomie und Markt des kommenden Jahres.
1000 Jung-Zander sollen in den Main umsiedeln – eine Initiative von Christian und Jochen Grimm aus der bekannten Aschaffenburger Fischerfamilie.
Mainfischerei – Tradition seit 1563
Während Christian Grimm als Vorstand für die Fischerzunft Aschaffenburg-Kleinostheim e.V. agiert, betreibt Jochen, wie viele Generationen vor ihm, die Flussfischerei, allerdings im Nebenberuf. Das Hauptgeschäft bilden Fischteiche mit Forellen, Saiblingen und Karpfen.
„Mit dem Einsatz von Fischen unterstützen wir den natürlichen Bestand“, sagt Jochen Grimm. Am Vormittag bereits wurden Karpfen eingesetzt, wenige Tage zuvor Aale. Irgendwann folgen Rotaugen; dazu später mehr. Alle diese Fische werden heutzutage als Jungfische in den Main umgesiedelt.
„Perlen der Teichwirtschaft“
Zwei Jahre alt, dabei gut 20 Zentimeter lang, sind die Jung-Zander. „Schöne Kerle“, sagt Christoph Oberle, langjähriger Lieferant, aus dessen Zucht die Fische stammen. Der Familienbetrieb Oberle bewirtschaftet im Aischgrund, in Erlangen-Kosbach und bei Bamberg, rund 40 Teiche mit über 100 Hektar Wasserfläche – ebenfalls in jahrhundertealter Tradition.
Ab in den Fluss
In der Zwischenzeit wurden die Fische mit dem Kescher in die Tanks auf den Booten gehoben. Um die 300 Zander wird Christian Grimm für die Fischerzunft flussabwärts in den Main entlassen. Das Gros bringt Jochen Grimm in Richtung Obernau aus. Unterstützt wird er dabei von Julius Grimm – auch er gehört zur weiteren Verwandtschaft der Fischerfamilie. Transportiert werden die Jung-Zander in einem Nachen, den Jochen Grimm nach altem Vorbild aus Aluminium fertigen ließ. Bestückt mit einem 15 PS- Motor treibt Aushilfe Christof Schimmer den Kahn souverän flussaufwärts.
Links ziehen diverse Boots- und Yachtclubs vorbei. Rechts zartes Baumgrün, erst auf der Flussinsel, dann nach der Adenauerbrücke am Nilkheimer Ufer…
Immer wieder fasst Julius Grimm einen oder zwei Fische mit dem Kescher und entlässt sie vorsichtig in den Fluss. Sofort tauchen sie ab und sind verschwunden. Das neue Umfeld scheint ihnen zu behagen. „Schleimhaut und Flossen sind bei Zandern dieser Größe sehr empfindlich“, sagt Jochen Grimm. Sie müssen sorgsam behandelt werden. „Nur unverletzt können sie mit der richtigen Energie ins Wachstum starten.“
In einem Jahr verdoppeln Zander ihre Größe und wachsen zu besten Speisefischen heran
– sofern sie genügend Futter finden.
Begehrte Fische
Zander sind Raubfische und ernähren sich von kleineren Futterfischen. Besagte Rotaugen, einst weit verbreitet im Main, und vor allem Grundeln, die über den Rhein-Main-Donau Kanal eingewandert sind, schmeckten ihnen, so Grimm. Doch nicht für den Zander werden Rotaugen eingesetzt. Denn auch andere Tiere stellen Mainfischen nach: Ein Reiher steht im Ufergebüsch. Gefürchtet sind vor allem die schwarzen Kormorane. Eine Brutkolonie siedelt nahe Kleinostheim. Bei der regelmäßigen Zählung des LBV, des Landesbundes für Vogelschutz, im April seien 280 Tiere gezählt worden. Auf täglich sechs Zentner Fisch beziffert Grimm den Verlust durch Kormorane. So spendierten ihnen die Mainfischer lieber günstige Rotaugen, um die Verluste an wertvollen Zandern, aber auch Barschen und Hechten, gering zu halten.
Dass diese Fische rar sind, liegt indes nicht nur an den Kormoranen. Grimm: „Hechte lieben stille verkrautete Zonen mit klarem Wasser. Die gibt es in einer Schiffahrtsstraße wie dem Main nicht mehr.“ Als frei fließender Fluss hatte der Main eine Tiefe von 70 bis 80 Zentimetern. Dann wurde er für die Schifffahrt ausgebaggert und mit Schleusen reguliert. Der Hecht verlor seine Laichgründe. Der Zander hingegen kommt mit den aktuellen Bedingungen besser zurecht. Er liebt trübes Wasser, nicht zu tief. Das bietet der Main, vor allem in einzelnen Zonen.
Kinderstube deckt den Bedarf nicht
Inzwischen hat der Nachen die Nilkheimer Eisenbahnbrücke passiert und biegt links ein in eine langgestreckte Bucht, den Bauhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes.
„Eine ruhige Zone, vor Wellenschlag geschützt – gutes Laich-Habitat für Zander“, sagt Grimm. Die Weibchen bauten auf dem kiesigem Grund ein Nest und beschützten es vor Jägern. Doch diese natürliche Vermehrung reiche nicht aus, um die Fischbestände auf längere Sicht stabil zu halten, gar um sie kommerziell zu nutzen. Deshalb würden unterstützend Jungfische eingesetzt. Ein teures Vergnügen – 5 Euro kostet jeder junge Zander.
Der Main ist ein vielfältig genutzter Fluss: Vögel, Fische und andere Wasserbewohner leben da. Ruderer und natürlich Boote jeder Größe befahren ihn, bis hin zu Frachtkähnen und Schiffen der Flusskreuzfahrten. Und dennoch: Der Main hat in vielen Bereichen seine Natürlichkeit bewahrt. Die Fische hier wachsen in frei fließendem Gewässer und artgerechter Umgebung heran.
40 Kilometer zwischen Kahl an der hessischen Landesgrenze bis Obernburg misst das Fischereirevier. Die Fischerfamilien der Zunft mit heute noch 23 aktiven Mainfischern nutzen die Bestände. Über Tageskarten können auch ausgebildete Angler teilhaben. Ein gerne genutztes Angebot.
Alle anderen haben die Chance, den edlen Speisefisch dann demnächst wieder auf dem Markt zu erwerben, frisch aus dem Main. „Die Wasserqualität ist, den Schwebstoffen zum Trotz hervorragend“, sagt Jochen Grimm.